Seit 2019 haben sich Onlinekurse rasant entwickelt. Formate, in denen Wissen, Erfahrungen oder praktische Tipps vermittelt werden, sind zu einer attraktiven Alternative zu klassischen Präsenzseminaren geworden. Besonders während der COVID-19-Pandemie gewann digitales Lernen weiter an Gewicht, weil es Selbstständigen, Studierenden und Fachkräften ermöglicht hat, bequem von zu Hause aus neue Fähigkeiten zu erwerben.
Doch die Entwicklung hatte auch eine Kehrseite: Die nächste Abmahnwelle ließ nicht lange auf sich warten. On-Demand-Onlinekurse und Online-Coaching-Programme können jetzt ohne Zulassung abmahngefährdet sein – und Kundinnen und Kunden haben unter Umständen sogar Anspruch auf eine vollständige Rückerstattung des Kaufpreises
In diesem Blogartikel erfahren Sie, wann Onlinekurse und Coaching-Programme zulassungspflichtig sind und welche rechtlichen Folgen sich daraus für Sie ergeben.
Was ist passiert?
Die aktuellen Abmahnungen stützen sich auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle (Urteil vom 1. März 2023, Az. 3 U 85/22). Das Gericht entschied, dass ein Coach, der im Bereich Vertrieb und Marketing ein strukturiertes Online-Coaching über eine professionelle Website und verschiedene Social-Media-Kanäle anbietet – einschließlich digitaler Lernmodule, individueller 1:1-Betreuung per Zoom, Feedback-Möglichkeiten sowie begleitender Unterstützung per E-Mail und Messenger –, dieses Angebot nach § 12 Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) zertifizieren lassen muss. Bislang ist die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass das FernUSG lediglich zu Gunsten von Verbrauchern wirkt, nicht aber auch zu Gunsten von Unternehmern. In dem vor Gericht entschiedenen Fall war die Kundin erwerbstätig, weil sie die Coaching-Angebote der Vorbereitung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit dienen sollte. Das Urteil des OLG Celle vom 1.3.2023 kommt aber trotzdem zu dem Ergebnis, dass das FernUSG nicht ausschließlich für Verbraucher gilt, sondern durchaus auch für Selbstständige und Unternehmen anwendbar ist.
Was ist Fernunterricht?
Fernunterricht ist die „asynchrone“ Wissensvermittlung (also wenn sie räumlich getrennt stattfindet). Asynchrone Inhalte sind Lerninhalte, welche Teilnehmende selbstständig abrufen und erarbeiten können. Darunter fallen aufgezeichnete und vorproduzierte, audiovisuelle Inhalte, E-Books, On-Demand Inhalte, Selbstlern-Kurse. Das Gegenteil sind synchrone Inhalte, bei denen Schüler: innen und Lehrer:innen gleichzeitig anwesend sind: persönliche Beratung, Vor-Ort-Workshops, Webinare.
Warum sind Onlinekurse jetzt plötzlich Fernunterricht?
Nach § 1 FernUSG liegt Fernunterricht vor, wenn ein entgeltliches Lernprogramm mit audiovisuellen Inhalten online bereitgestellt wird, jederzeit abgerufen werden kann und zusätzlich Live-Coaching oder eine persönliche Betreuung umfasst. Damit erfasst das FernUSG auch moderne Onlinekurse in ihrer heutigen Ausgestaltung.
FernUSG: ZFU-Zulassungspflicht
- Entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten;
- ausschließlich oder überwiegend „räumlich getrennt“ und Beratung,
- Betreuung, Lernerfolgskontrolle inklusive.
Sind auch kostenlose Onlinekurse, wie Freebies, erfasst?
Kostenfreie Onlinekurse oder Tutorials sind grundsätzlich nicht erfasst. Etwas anderes ist es, wenn der kostenlose Kurs Teil eines Gesamtpakets ist und Bestandteil eines Programmes mit Lernplan und Erfolgskontrolle ist.
Welche Online-Kurse sind nicht von der ZFU-Pflicht betroffen?
Hobbykurse, die nach Inhalt und Ziel ausschließlich der Freizeitgestaltung und/oder der Unterhaltung dienen, wie z.B. Stricken und Bastelkurse sind praktisch nicht betroffen.
Live-Webinare, Live Calls, Beratung: Dienstleistungen, die ausschließlich zeitgleich (synchron) angeboten werden und vollständig in unmittelbarer Kommunikation mit den Teilnehmenden stattfinden (kein on-demand).
Auschließlich asynchrone Selbstlern-Kurse, also Onlinekurse mit abrufbaren, audiovisuellen Inhalten, welche Teilnehmende zu ihrer eigenen Information, Selbstgestaltung oder Inspiration streamen können. Darunter können auch E-Books fallen. Wichtig ist jedoch, dass es sich um ausschließliche Selbstlernkurse handelt und keine ergänzenden, individuellen Schulungen zum Lernstoff wie etwa 1:1 Live-Sessions und/oder ergänzende Aufzeichnungen von 1:1 Live-Sessions (z.B. zum Kurs gehörende Live-Support/Call/Betreuung durch den Anbieter) stattfinden.
Ist ein 1:1 Coaching mit Live-Support und Videomaterial zum Abruf zulassungspflichtig?
Damit Fernunterricht überhaupt vorliegt, muss der Kurs eine Kombination von synchronen und asynchronen Inhalten bieten.
Beispiel: 48% des Kurses sind Videomaterial und Textinhalten zum Abruf; 52% des Kurse enthalten Live-Webinare und Betreuung im Kurszeitraum.
Für die ZFU-Pflicht spielen aber noch andere Faktoren eine Rolle:
- Sind die Live-Calls Ergänzung zum Lernprogramm und dienen zu Rückfragen/Support?
- Ist eine Anwesenheit in jedem Live-Call erforderlich?
- Findet in den Live-Calls eine Wissensvermittlung / Lernkontrollen statt?
Wann liegt eine Lernerfolgskontrolle vor?
Fernunterricht liegt immer vor, wenn auch eine Kontrolle des Gelernten stattfindet. Eine Lernerfolgskontrolle liegt vor:
- wenn Teilnehmende Prüfungs- oder Übungsaufgaben an die Anbieter: innen übersenden können und hierauf eine individuelle Rückmeldung erhalten.
- die Möglichkeit angeboten wird, inhaltliche Fragen an den Anbieter:innen zu stellen (etwa um Kurs gehörende Facebook Gruppen, Chats, Foren, Kommentarspalten, E-Mails.) und die Kund:innen dadurch die Gelegenheit haben, durch Antworten und Feedback ihren eigenen Lernerfolg zu überprüfen.
Ist ein Videokurs ohne Support zulassungspflichtig?
Ein 100% (asynchroner) Selbstlernkurs, in dem lediglich Videomaterial zur Verfügung gestellt wird, bedarf in der Regel keiner Zulassung durch die ZFU. Was anderes gilt, wenn ergänzend Live Support, Rükfragemöglichkeiten oder sogar Zertifizierungen angeboten werden. Hier kann ZFU-Pflicht bestehen.
Was passiert bei fehlender Zulassung durch die ZFU?
Kunden können Geld zurück verlangen
Sind Sie erst einmal zulassungspflichtig, dann können Ihre Kunden den Kurs-Vertrag noch drei Jahre nach dem Kauf anfechten und ihr Geld zurück verlangen! Denn bei fehlender Zulassung durch die ZFU ist der Vertrag nach dem Gesetz nichtig und dies hat zur Folge, dass Sie Ihrem Kunden die Kursgebühren zurückerstatten müssen . Das gilt in diesem Fall nicht nur bei Verbraucherverträgen, sondern auch bei B2B Verträgen. Soweit der Vertrag nach § 7 nichtig ist, bedarf es keiner Kündigung oder eines Widerrufs mehr. Der Vertrag ist dann aus gesetzlicher Sicht nie zustande gekommen. Etwaige gezahlte Vergütungen kann jeder Teilnehmer ebenfalls zurückfordern (§ 812 BGB). Außerdem können Bußgelder auferlegt werden (§ 21 FernUG).
Bußgelder durch die ZFU
Bei Verstoß gegen die Zulassungsanforderung kann die ZFU Bußgelder von bis zu 10.000 EUR vom Anbieter: in des betreffenden Onlinekurses verlangen..
Sollte die ZFU sich bei Ihnen melden, raten wir Ihnen, sofort den Rechts-Check zu buchen. Die Anwältin prüft dann den Fall und Sie erhalten verbindliche Antworten, was weiterhin zu tun ist und wie ggf. dagegen rechtzeitig vorgegangen werden kann.

Du willst wissen, ob dein Onlinekurs eine Zulassung braucht? Komm in den Rechts- Check für eine verbindliche Prüfung und Antwort!
Wettbewerbsrechtlich angreifbar
Mitbewerber die eine Zulassung haben, können Sie wegen Verzerrung des Wettbewerbs und Vorteilnahme abmahnen. Jeder Mitbewerber hat das Recht, nach dem Wettbewerbsrecht zu verlangen, dass Onlinekurse, die in einem bestimmten Umfang angeboten werden, auch zertifiziert und zugelassen sind.
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Foto Credits für Beitrags- und Vorschaubild: @rattanakun via canva.com







