Coaching, Mentoring oder Consulting: Was die neue FernUSG-Rechtsprechung wirklich bedeutet

Coaching, Mentoring oder Consulting: Was die neue FernUSG-Rechtsprechung wirklich bedeutet

Nathalie Salibian-Waltz (SW2Legal)

Nathalie Salibian-Waltz

Anwältin, Autorin & Bloggerin

Grundsätzlich sind Onlinelehrgänge aus Sicht der Anbieter individuellen Präsenzschulungen überlegen.

Anbieter von Onlinekursen investieren einmalig Zeit und Aufwand in die Erstellung ihres Lehrmaterials. Nach der Veröffentlichung können sie dieses jedoch beliebig oft verkaufen, ohne es jedes Mal neu produzieren zu müssen. Dadurch entsteht eine dauerhaft fließende, weitgehend passive Einnahmequelle.

Seit 1977 gilt in Deutschland das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG). Es verpflichtet Anbieter, ihre Fernlehrgänge von der Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) prüfen und genehmigen zu lassen. Der Zweck ist eindeutig: Verbraucher sollen vor unseriösen Bildungsangeboten geschützt werden. Lange Zeit galt es als selbstverständlich, dass Onlinekurse für Unternehmen oder Selbstständige nicht unter dieses Gesetz fallen.Doch mit der neueren Rechtsprechung zu Coaching-Programmen hat sich das Bild verändert. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass auch Coaching-Onlinekurse für Unternehmen zulassungspflichtig sein können. Dadurch hat sich ein neues Feld für Abmahnungen und Klagen eröffnet, auf das sich mittlerweile einige Kanzleien spezialisiert haben.

Im folgenden Abschnitt finden Sie daher eine übersichtliche Q&A zum FernUSG, damit Sie genau wissen, welche Regeln gelten und worauf Sie als Anbieter achten sollten.

Was hat der BGH entscheiden?

Der Bundesgerichtshof hat am 12. Juni 2025 (Az. III ZR 109/24) klargestellt: Online-Coaching-Verträge, die als Fernunterricht nach dem FernUSG einzustufen sind, sind ohne ZFU-Zulassung nichtig (§ 7 FernUSG) – und zwar rückwirkend. Bereits geleistete Zahlungen können dann vom Kunden vollständig zurückgefordert werden. Merkmale für eine Zulassungspflicht nach FernUSG können sein:

  • räumliche Trennung von Coach und Teilnehmer;
  • didaktisch aufgebautes Lernprogramm;
  • individuelle Betreuung oder Erfolgskontrolle;
  • Abschluss per Fernkommunikationsmittel.

Meine Teilnehmerinnen sind überwiegend zufrieden und ich hatte bisher keine Beschwerden oder Abmahnungen. Soll ich mein Online-Coaching-Angebot trotzdem überprüfen lassen?

Wenn Sie abgemahnt werden, ist es zu spät. Besser ist, wenn Sie die für Sie geltenden Regeln vorher kennen und entsprechend handeln. Selbst ein fachlich überzeugendes und wirtschaftlich solides Coaching-Angebot kann unter das FernUSG fallen, oft ohne dass Sie sich als Anbieter dessen bewusst sind. Für Coaches, Mentoren oder Consultants, die mit ihren Online-Programmen Geld verdienen, lohnt sich daher eine frühzeitige rechtliche Prüfung und ggf. sogar Zertifizierung. So lassen sich spätere Rückforderungen, Unterlassungsanordnungen oder sogar insolvenzrechtliche Konsequenzen zuverlässig vermeiden.

Was ist mit Inhalten, die dem Kunden bereits erbracht worden sind?

Auch solche Verträge müssen im Ergebnis vollständig rückabgewickelt werden, zumindest in finanzieller Hinsicht. Die Nichtigkeit wirkt ex tunc, also von Anfang an. Selbst wenn Kundinnen oder Kunden bereits Zugriff auf Videos hatten oder an Live-Calls teilgenommen haben, bleibt das Programm ohne gültige ZFU-Zulassung rechtlich unwirksam. Ein Anspruch auf Wertersatz besteht nur, wenn der Anbieter konkret und nachvollziehbar belegt, welchen geldwerten Vorteil die Teilnehmenden aus den bereits genutzten Leistungen gezogen haben. Eine solche Dokumentation erfordert jedoch eine sorgfältige Vorbereitung und fachkundige Begleitung.

Ist Mentoring oder Consulting dagegen rechtssicher?

Kommt darauf an. Maßgeblich ist nicht der gewählte Titel, sondern die tatsächliche inhaltliche Ausgestaltung des Angebots. Auch ein als Mentoring bezeichnetes Online-Programm kann ZFU-pflichtig sein, wenn es die gesetzlichen Kriterien des Fernunterrichts erfüllt.

Ist ein Coaching-Programm mit 52 % WhatsApp-Support und 48 % abrufbaren Videos ZFU-pflichtig?

Das kommt auf das konkrete Format an. Auch hier gilt: Liegt ein Lehrplan zugrunde und dienen die Whatsapp-Nachrichten der Überwachung des Lernfortschritts? Dann eher ZFU-Pflicht. Denn selbst der Anteil von 52% Live-Support, schützt Sie dann nicht mehr vor der ZFU-Pflicht, wenn ihre restlichen 48% Kursinhalte einem einheitlichen Curriculum folgen und auf einen konkreten Lernerfolg gerichtet sind. Dagegen fallen Selbstlernkurse ohne festgelegtes Curriculum und Lernerfolg, mit optionaler Betreuung oder Beratung per Whatsapp regelmäßig nicht unter die ZFU-Pflicht.

Kontakt Nathalie Salibian-Waltz

Der Rechts-Check: Wir prüfen regelmäßig Formate und helfen bei der rechtssicheren Gestaltung ihrer Onlinekurse.

 

Gilt die ZFU-Zulassung für mich als Anbieter oder nur für mein konkretes Produkt?

Die Zulassung bezieht sich immer nur auf das konkrete geprüfte Lehrangebot und nicht auf den Anbieter als Person oder Unternehmen. Jeder neue Kurs sowie jede inhaltlich wesentliche Änderung müssen daher erneut eingereicht und separat genehmigt werden.

Lohnt sich überhaupt noch eine Zulassung zu beantragen? Ich habe gehört, dass das Gesetz bald aufgehoben wird.

Richtig ist, dass der Normenkontrollrat am 6. November 2025 ein Positionspapier vorgelegt hat, in dem empfohlen wird, das FernUS-Gesetz von 1977 abzuschaffen. Hintergrund ist vor allem der Abbau von Bürokratie: Die aktuelle Rechtsprechung des BGH könnte der Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU), eine Behörde mit derzeit ca. 30 Mitarbeitern, Prüfungen von Zulassungsverfahren im sechs- bis siebenstelligen Bereich bescheren. Trotz der Empfehlung des Normenkontrollrates gilt das Gesetz jedoch weiterhin, bis das Parlament seine Abschaffung tatsächlich beschließt und ein neues Gesetz in Kraft tritt, das die ZFU-Regelung abschafft bzw. durch eine andere Regelung ersetzt. Das kann einige Zeit dauern. Bis dahin bleiben Kursangebote, die eine Zulassung oder Genehmigung benötigen, weiterhin abmahngefährdet.

Was sind die Voraussetzungen für eine ZFU-Zulassung und wie läuft die ZFU-Zulassung ab?

Voraussetzungen für eine ZFU Zulassung sind:

  • Ein Curriculum mit Zielsetzung;
  • die Bewerbung von Lernerfolgen („garantierter Mehrwert“);
  • eine systematische Videobibliothek mit verbindlicher Nutzung;
  • verpflichtende Aufgaben, Tests oder Abschlusszertifikate.

Die ZFU prüft jedes Coaching-Angebot einzeln und bewertet immer das konkrete Kursformat.

Ein Zulassungsantrag muss unter anderem folgende Punkte enthalten:

  • ein pädagogisch-didaktisches Konzept mit klaren Lernzielen
  • transparente und vollständige Vertragsbedingungen
  • Nachweise zur Qualifikation der Lehrkräfte
  • vollständige Kursunterlagen sowie eine Darstellung der geplanten Kommunikation mit den Teilnehmenden.

Was muss ich beim ZFU-Zertifizierungsprozess noch beachten?

Die Anbieter treten durch die Erarbeitung des Lernmaterials wirtschaftlich in Vorleistung und dürfen für die Dauer des Verfahrens keine Einnahmen daraus generieren. Sie sollten sich bei dem Zertifizierungsprozess anwaltlich beraten und begleiten lassen, insbesondere können die folgenden Schritte im Vorfeld eines Zulassungsantrags erforderlich sein:

  • Rechtliche Prüfung, welche bestehenden Verträge im Einzelnen betroffen sein können;
  • Analyse alternativer Angebotsformate, etwa vollständig automatisierte Selbstlernkurse ohne individuelle Betreuung;
  • Gründung eines neuen Unternehmens für künftige Coaching-Aktivitäten, um Alt- und Neugeschäft sauber voneinander zu trennen;
  • Übertragung wesentlicher immaterieller Werte (z. B. Domainrechte, Kursplattformen) auf das neue Unternehmen zu marktüblichen Bedingungen;
  • Einbindung des Steuerberaters, um angemessene Bewertungsansätze festzulegen und Risiken eines möglichen Gestaltungsmissbrauchs zu vermeiden.
ZFU Zertifizierung, Urteil OLG Celle vom 1.3.2023

Onlinekurse, die ohne ZFU-Zulassung laufen

Wie lange dauert die ZFU-Genehmigung?

Es gibt eine Genehmigungsfrist von drei Monaten, innerhalb derer, die Behörde entscheiden sollte. § 12 a Abs. 2 FernUSG bestimmt, dass ein Kurs als zulässig gilt, wenn über den Antrag nicht innerhalb von drei Monaten entschieden wurde. Allerdings wird die dreimonatige Genehmigungsfrist oft überschritten, da die Frist durch die Nachforderung von Dokumenten erneut beginnt. Die Regelung ersetzt daher nicht die formelle Zulassung und schafft damit keine Rechtssicherheit.

Ist eine freiwillige ZFU-Zulassung sinnvoll?

Eine ZFU-Zulassung ist nur dann freiwillig, wenn sie rechtlich nicht erforderlich ist. Ob in einem solchen Fall eine ZFU-Zulassung zu empfehlen ist, richtet sich nach dem konkreten Einzelfall und den Umständen, wie etwa ihre Wettbewerbssituation. Lassen Sie sich diesbezüglich unbedingt anwaltlich beraten!

 

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