Seit 2019 haben Onlinekurse, die Wissen, Erfahrungen teilen oder Tipps und Tricks zeigen, eine rasante Entwicklung genommen und sind zu einer beliebten Alternative zu herkömmlichen Präsenzseminaren geworden. Insbesondere während der COVID-19-Pandemie haben Onlinekurse an Bedeutung gewonnen, da es Selbstständigen, Studenten und Fachkräften die Möglichkeit bietet, von zu Hause aus, in ihrem eigenen Tempo zu lernen und sich weiterzubilden. Es hat ehrlich gesagt nicht lange gedauert, bis Coaches, Creator und Selbstständige die nächste Abmahnwelle erreicht: On-Demand Onlinekurse und Online Coaching Programme können ohne Zulassung abmahngefährdet sein und Kund:innen ihren Kaufpreis vollständig vom Anbieter: in zurückverlangen. In diesem Blogartikel werden wir die Zulassungspflicht von Onlinekursen und Coaching Programmen genauer betrachten.
Was ist passiert?
In Deutschland stehen Fernunterichts-Programme grundsätzlich unter dem Vorbehalt einer Prüfung durch die ZFU (Staatliche Zentrale für Fernunterricht). Das ist seit 1976 Gesetz. Nach der aktuellen Rechtssprechung (Oberlandesgericht Celle , Urteil v. 01.03.2023, Az.: 3 U 85/22) , sind davon auch Coaching Programme in Form von Onlinekursen erfasst. Sie bedürfen daher auch der Zulassung durch die ZFU. Fehlt diese Zulassung, können Kund:innen ihr Geld zurück verlangen und es drohen Bußgelder.
Die Richter in Celle entschieden im Streitfall, dass die Klägerin, die gegen Zahlung von monatlichen Raten in Höhe von ca. 3.000 Euro ein einjähriges Online-Coaching-Programm einschließlich u.a. wöchentliche Life Calls (7 Stück), 1:1 Calls auf Abruf sowie WhatsApp Support, gebucht hatte, ihr Geld zurückverlangen darf. Nachdem die Leistungen des Online-Coachings nicht ihren Erwartungen entsprachen, erklärte sie, an dem Vertrag nicht festhalten zu wollen. Sie erklärte die Anfechtung, Widerruf und die Kündigung des abgeschlossenen Vertrages. Die Richter gaben ihr Recht, da dem Online Coaching Programm die nötige Zulassung fehlte. Es befand die Coaching-Vereinbarung nach dem Gesetz für null und richtig, weil sie gegen § 12 FernUSG verstoße. Danach ist eine Fernunterrichtsvereinbarung nichtig, wenn sie nicht die erforderliche Zulassung für Fernlehrgänge besitzt. Das Gericht qualifizierte den Online-Coaching Kurs als Fernlehrgang im Sinne des Gesetzes.
Sind jetzt alle Online Kurse zertifizierungspflichtig und nichtig?
Fernunterricht ist „asynchrone“ Wissensvermittlung (also wenn sie räumlich getrennt stattfindet). Asynchrone Inhalte sind Lerninhalte, welche Teilnehmende selbstständig abrufen und erarbeiten können. Darunter fallen aufgezeichnete und vorproduzierte, audiovisuelle Inhalte, E-Books, On-Demand Inhalte, Selbstlern-Kurse. Das Gegenteil sind synchrone Inhalte, bei denen Schüler: innen und Lehrer:innen gleichzeitig anwesend sind: persönliche Beratung, Vor-Ort-Workshops, Webinare.
Soweit erstmal nicht ungewöhnlich, denn für Lernformen wie diese braucht es gewisse Vorgaben. Was jetzt aber neu in die Diskussion geworfen wurde, ist die Frage, ab wann Onlinekurse von Coaches ebenfalls als Fernunterricht gelten. Laut § 1 FernUSG liegt Fernunterricht vor, wenn ein Programm mit audiovisuellen Inhalten zum jederzeitigen Abruf online nach Vereinbarung gegen Entgelt angeboten wird und Live-Coachings bzw. Betreuungen enthält. Die Anwendung des Fernunterrichtsschutzgesetzes kommt danach in Betracht, wenn das Programm bzw. der Kurs diese Voraussetzungen hat:
- Entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten;
- ausschließlich oder überwiegend „räumlich getrennt“ und
- Beratung, Betreuung, Lernerfolgskontrolle inklusive.
Danach sind kostenfreie Onlinekurse oder Tutorials schon mal ausgeschlossen. Ebenfalls sind Online-Kurse, die zeitgleich (synchron), also live stattfinden, nicht Fernunterricht im Sinne des FernUSG. Anders sieht es mit Onlinekursen aus, die überwiegend im Streaming oder Download angeboten werden und zusätzlich mit dem Angebot eines Live Supports wie WhatsApp Chats, Zoom Calls und Facebook-Gruppen. Aus Sicht des Gerichts können (fast) alle überwiegend im Streaming oder Download angebotenen Kurse mit einem Angebot eines Live Supports wie WhatsApp Chats, Zoom Calls und Live Sessions unter die Vorgaben des FernUSG fallen und müssten dann als Fernunterricht angemeldet und zertifiziert werden, bevor sie überhaupt gelauncht werden dürfen!
Was gilt für alle anderen Online-Kurse?
Sie brauchen keine ZFU-Zulassung, wenn ihr Online-Kurs ausschließlich live stattfindet und/oder kostenlos angeboten wird! Nicht jede Aufzeichnung eines Kurses braucht eine Zulassung durch die ZFU.
Hobby Kurs und Freizeitgestaltung
Hobbykurse, die nach Inhalt und Ziel ausschließlich der Freizeitgestaltung und/oder der Unterhaltung dienen, wie z.B. Stricken und Bastelkurse sind praktisch nicht betroffen.
Live-Webinare und Live Calls
Dienstleistungen, die ausschließlich als Live Calls oder Live Webinare angeboten werden und vollständig in unmittelbarer Kommunikation mit den Teilnehmenden stattfinden (kein on-demand), bedürfen nach dem Gesetz keiner Zulassung.
100% Selbstlern-Kurse
Onlinekurse mit audiovisuellen Inhalten, welche Teilnehmende in ihrem eigenen Tempo und On-Demand abrufen und 100% selbst erarbeiten. Darunter können insbesondere neben E-Books auch audiovisuelle Inhalte zum Streamen gehören. Wichtig: Ausgeschlossen sind in der Regel Live-Sessions und/oder ergänzende Aufzeichnungen von Live-Sessions (z.B. zum Kurs gehörende Live-Support/Call/Betreuung durch den Anbieter).
Welche Onlinekurse brauchen eine Zulassung?
Bislang ist die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass das FernUSG lediglich zu Gunsten von Verbrauchern wirkt, nicht aber auch zu Gunsten von Unternehmern. In dem vor Gericht entschiedenen Fall war die Kund:in schon erwerbstätig, weil sie die Coaching-Angebote der Vorbereitung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit dienen sollte. Das Urteil des OLG Celle vom 1.3.2023 kommt aber trotzdem zu dem Ergebnis, dass das FernUSG nicht ausschließlich für Verbraucher gilt, sondern durchaus auch für Selbstständige und Unternehmen anwendbar ist.
Entscheidend ist auch der zeitliche Umfang der asynchronen Inhalte im Kursprogramm. Damit Fernunterricht überhaupt vorliegt, muss über 50% des Kurses asynchron sein.
Beispiel: Kurs mit 10 Stunden Videomaterial und Textinhalten zum Abruf; Live-Calls im Kurszeitraum 5 Stunden = Fernunterricht.
Im Umkehrschluss könnte man meinen, dass ein Kurs mit 5 Stunden audiovisuellen Inhalten und Live-Calls im Kurszeitraum von 10 Stunden kein Fernunterricht sei.
Allerdings spielen noch folgende Fragen eine Rolle:
- Sind die Live-Calls nur Ergänzung und dienen Rückfragen/Support?
- Ist eine Anwesenheit in jedem Live-Call erforderlich?
- Findet in den Live-Calls eine Wissensvermittlung statt?
Oder die Live-Calls sind verbindlich und vermitteln Wissen, aber werden aufgezeichnet und stehen danach im Mitgliederbereich jederzeit zur Verfügung.
In den oben genannten Szenarien können dann doch die Voraussetzungen für einen Fernunterricht gegeben sein und eine Zulassung notwendig werden.
Findet eine Lernerfolgskontrolle statt?
Fernunterricht liegt immer vor, wenn auch eine Kontrolle des Gelernten stattfindet. Eine Lernerfolgskontrolle liegt vor:
- wenn Teilnehmende Prüfungs- oder Übungsaufgaben an die Anbieter: innen übersenden können und hierauf eine individuelle Rückmeldung erhalten.
- die Möglichkeit angeboten wird, inhaltliche Fragen an den Anbieter:innen zu stellen (etwa um Kurs gehörende Facebook Gruppen, Chats, Foren, Kommentarspalten, E-Mails.) und die Kund:innen dadurch die Gelegenheit haben, durch Antworten und Feedback ihren eigenen Lernerfolg zu überprüfen.
Was passiert bei fehlender Zertifizierung?
Kund:innen können Geld zurück verlangen
Sind Sie erst einmal zertifizierungspflichtig, dann können Ihre Kund:innen den Kurs-Vertrag noch drei Jahre nach dem Kauf anfechten und ihr Geld zurück verlangen! Denn bei fehlender Zulassung durch die ZFU ist der Vertrag nach dem Gesetz nichtig und dies hat zur Folge, dass Sie Ihrem Kunden die Kursgebühren zurückerstatten müssen . Das gilt in diesem Fall nicht nur bei Verbraucherverträgen, sondern auch bei B2B Verträgen. Soweit der Vertrag nach § 7 nichtig ist, bedarf es keiner Kündigung oder eines Widerrufs mehr. Der Vertrag ist dann aus gesetzlicher Sicht nie zustande gekommen. Etwaige gezahlte Vergütungen kann jeder Teilnehmer ebenfalls zurückfordern (§ 812 BGB). Außerdem können Bußgelder auferlegt werden (§ 21 FernUG).
Bußgelder durch die ZFU
Bei Verstoß gegen die Zulassungsanforderung kann die ZFU Bußgelder von bis zu 10.000 EUR vom Anbieter: in des betreffenden Onlinekurses verlangen..
Sollte die ZFU sich bei Ihnen melden, raten wir Ihnen, sofort den Rechts-Check zu buchen. Die Anwältin prüft dann den Fall und Sie erhalten verbindliche Antworten, was weiterhin zu tun ist und wie ggf. dagegen rechtzeitig vorgegangen werden kann.
Mitbewerber: innen, die eine Zulassung haben, können Sie wegen Verzerrung des Wettbewerbs und Vorteilnahme abmahnen. Jeder Mitbewerber hat das Recht, nach dem Wettbewerbsrecht zu verlangen, dass Onlinekurse, die in einem bestimmten Umfang angeboten werden, auch zertifiziert und zugelassen sind.
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